Unlängst hatte ich eine Realisation, die sowas wie eine Ernte ist. Plötzlich zeigte sich der tiefere Zusammenhang, aus dem heraus ich damals in den USA ausgerechnet in Taizen Maezumi Roshi’s Soto-Zen-Linie ordinierte. Gut Ding will bekanntlich Weile haben – ziemlich genau 17 Jahre!

Alle Lehrenden haben ja so ihre Kern-Aussagen… die sie mit leichter Veränderung mal so, mal ein bisschen anders immer wieder und immer neu ausdrücken. Maezumi Roshi’s war: „Appreciate your life.“ Es gibt auch ein Buch von ihm mit diesem Titel, die deutsche Übersetzung ist: „Das Herz des Zen.“ Er war sozusagen der Großvater meiner Lehrerin, die mich 2007 in Santa Fe ordinierte…

Wie ich also an den Isarauen zwischen Mittenwald und Scharnitz nach einem Bad im kristallklaren, eiskalten Wasser am Ufer saß – glückselig darüber zu diesem magischen Ort gefunden zu haben – bekam ich trotz des Sonnenscheins Gänsehaut und mein Herz wurde mit einem Mal weit vor Glück. In meinem Geist tauchte plötzlich auf: appreciating life … Maezumi Roshi. Mich ergriff tiefe Dankbarkeit – für die Schönheit dieses Augenblicks, dafür dass mein Herz offen für sie war und für das pure Geschenk teilzuhaben am Lebendigen.

Natürlich kenne auch ich andere Zeiten. Als ich zum Beispiel vor 6 Jahren nach einem sogenannten Routine-Eingriff durch eine postoperative Komplikation wieder und wieder in die Klinik musste und keine Ahnung hatte, wie „normal“ mein Leben je wieder werden würde, fiel es mir schwer dankbar zu sein und mein Leben zu schätzen, so wie es gerade war: ich wog 51 Kilo und konnte kaum mehr 500 Meter am Stück gehen. Ich war verstört, die meiste Zeit niedergeschlagen und voller Angst. Manchmal gab es Lichtblicke, Momente von Zuversicht, Verbundenheit. Innigst habe ich mir damals gewünscht: wenn ich nur einfach irgendwann wieder mit meiner Hündin Josy in der Sonne spazieren gehen kann, am Urselbach! Dieser Wunsch hat mir immer wieder Zuversicht gegeben, mich angespornt, mir die Kraft gegeben weiterzugehen – ins Leben.

Und da saß ich nun – 6 Jahre später, mit einem ziemlich anderen Leben – in den Bergen an der Isar in der Sonne! In solchen Momenten scheint es naheliegend, das Leben zu schätzen. Aber mal ehrlich – tun wir es dann auch wirklich? Sind wir zutiefst wach für dieses Geschenk am Leben zu sein? Dann gelänge es uns vielleicht etwas besser auch in den Momenten, in denen wir es schwer haben – in denen wir hoffnungslos oder wütend sind, voller Angst oder Traurigkeit. In Momenten, in denen wir einen Menschen verlieren oder etwas Liebgewonnenes unwiederbringlich vergeht… Die Dankbarkeit für das Mysterium des verkörperten Lebens hier auf dieser Erde will aktiv kultiviert, aufrechterhalten und immer wieder erneuert werden, durch alle Freuden und Schwierigkeiten hindurch. Und diese Dankbarkeit ist es, die wir dem Leben zurückgeben können, wie es bei Dogen Zenji heißt: „Give life to life.“ Schenk dem Leben deine Lebendigkeit. Begegne dem Leben – nähre das Lebendige dadurch, dass du dein Leben LEBST!

Obwohl ich schon lange die Zen-Roben nicht mehr trage, fühlte ich mich der Linie, in der ich einst ordinierte, in diesem Moment sehr verbunden. Und wieder ein Stück mehr in Frieden auch mit den Unwägbarkeiten, die dieser Weg auch hatte… aber das ist „another Story“.